Perspektivwechsel #1: Zwischen Ankommen, Bleiben und Kämpfen

Februar 13, 2025

von Monica Nguyen

Solidarität und Widerstand: Der Weg zu einer gerechten Zukunft

Ich bin in Deutschland geboren – aber lange fühlte es sich nicht an, als würde ich wirklich dazugehören. Meine Eltern kamen in den 1990ern als Vertragsarbeitende in die DDR. Sie blieben. Ich wuchs hier auf. Heute darf ich wählen. Doch gehört diese Wahl wirklich auch mir?

Wie gehen wir mit denen um, die täglich Rassismus und Diskriminierung erleben? In den letzten Jahren gab es viele Proteste gegen den Rechtsruck und den zunehmenden Rassismus. Doch was passiert nach den Protesten? Wird der Widerstand anhalten oder war es nur ein Moment der Empörung?

Protest ist mehr als eine kurzfristige Empörung. Solidarität und Veränderung müssen langfristig wirken. Wir müssen Netzwerke aufbauen, die tief in den sozialen, politischen und ökonomischen Strukturen verankert sind. Diese Netzwerke stärken marginalisierte Stimmen und geben denen eine Plattform, die lange überhört wurden.

Rassismus als gesamtgesellschaftliches Problem

Proteste gegen Rechtsruck sind wichtig – aber nur die Spitze des Eisbergs. Rassismus ist tief in Politik und Gesellschaft verankert. Es reicht nicht, eine Partei zu bekämpfen, wenn die Narrative dahinter bleiben. Migration wird als Sündenbock missbraucht, soziale Ungleichheit ignoriert.

Während wir hier demonstrieren, sterben Menschen an den EU-Außengrenzen – in der Ägäis, in der Sahara, in der Wüste zwischen Libyen und Niger. Die Abschottungspolitik der EU wird kaum hinterfragt, obwohl sie täglich Menschenleben kostet. Rassismus zeigt sich nicht nur in Anfeindungen, sondern auch in den Asylgesetzen, in Frontex-Operationen und in der Kriminalisierung von Seenotrettung.

Wo die Politik versagt, leisten Menschen Gegenwehr: Seenotrettungsorganisationen, Aktivist*innen, die Pushbacks dokumentieren, Anwält*innen, die gegen Abschiebungen kämpfen – sie erinnern uns daran, dass Solidarität eine Praxis und kein leeres Wort ist.

Der Einsatz gegen strukturelle Ungerechtigkeit

Antirassismus bedeutet mehr als nur gegen den Rechtsradikalismus zu kämpfen – es geht darum, die strukturellen Ungerechtigkeiten anzugehen, die Rassismus und Diskriminierung ermöglichen. Antirassismus bedeutet mehr als nur Ablehnung der AfD. Wir müssen die sozialen Verhältnisse hinterfragen und fordern, dass alle Menschen gleich behandelt werden, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder sozialer Stellung. Mieten, Armut und Bildungsungerechtigkeit sind keine migrantischen Probleme, sondern gesellschaftliche Missstände, die uns alle betreffen.

Eine gerechte Sozialpolitik als Antwort auf Rassismus

Der Weg zu einer gerechten Gesellschaft erfordert mehr als symbolische Gesten. Es braucht konkrete politische Forderungen und eine Umstrukturierung der sozialen und ökonomischen Verhältnisse. Rassismus und soziale Ungleichheit sind untrennbar miteinander verbunden. Eine gerechte Sozialpolitik für alle ist der Schlüssel. 

Es geht nicht nur um ein „Nie wieder“, sondern um ein „Jetzt erst recht“. 

Denn ohne aktiven Widerstand gegen die Strukturen, die Rassismus und Ausgrenzung ermöglichen, bleibt das „Nie wieder“ bedeutungslos. Die effektivste Antirassismuspolitik ist eine, die soziale Gerechtigkeit für alle anstrebt – unabhängig von Herkunft, Status oder Lebensrealität. In einer Gesellschaft, die Migration als Chance versteht, kann Rassismus keinen Boden fassen.

Der Kampf um eine gerechte Zukunft

Als Viet-Deutsche habe ich oft darüber nachgedacht, ob ich in einem Land bleiben soll, das Migration und Vielfalt nicht als Bereicherung sieht. Doch Veränderung geschieht nicht durch Rückzug, sondern durch Engagement – in den Institutionen, politischen Prozessen und im Alltag. Wir haben immer gekämpft: Gastarbeitende in Westdeutschland, Vertragsarbeitende in Ostdeutschland, die Schwarze Gemeinschaft in den 1980er Jahren und die Menschen, die 2015 Geflüchtete willkommen hießen. Diese Kämpfe zeigen, dass Veränderung dort geschieht, wo wir uns zusammenschließen. Unsere Geschichten gehören zu dieser Gesellschaft.

Rassismus ist kein Randphänomen – er ist mitten in unserer Gesellschaft verankert, in unseren Institutionen und in der Politik. Der Widerstand muss als kontinuierlicher Prozess verstanden werden. Massenproteste sind nur ein Anfang, nicht das Ende. Wenn wir erkennen, dass wir alle miteinander verbunden sind, sind wir auch alle in der Pflicht, für eine gerechte Zukunft zu kämpfen.

Eine gerechte Gesellschaft braucht mehr als Protest – sie braucht eine klare Vision. Wenn wir solidarisch sind, wird die Frage „Gehört diese Wahl auch mir?“ eines Tages eine Antwort finden: Ja. Aber nur, wenn wir nicht nur wählen, sondern kämpfen.

Es liegt an uns. Lassen wir nicht nach – und lassen wir uns nicht entmutigen.



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