Einigung zur GEAS-Reform – Oder: Wie die EU-Institutionen das Asylrecht abschaffen
Dezember 20, 2023
Der Rat der EU und das EU-Parlament haben sich nach mehrtägigen Verhandlungen auf zentrale Punkte im Migrationsreform-Paket geeinigt. Das Fazit: Die neuen Gesetze legitimieren schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen und schaffen de facto das Recht auf Asyl in der EU ab.
Diese vier zentralen Punkte wurden beschlossen:
- Die Screening-Verordnung: Alle Mitgliedstaaten müssen innerhalb von 7 Tagen ein verpflichtendes Screening durchführen. Dieses findet unter haftähnlichen Bedingungen und unter der “Nicht-Einreise-Fiktion” statt. Während des Screenings sind Personen also noch nicht offiziell in den Schengenraum eingereist und ihnen kann bis zum Abschluss des Verfahrens kein Zugang zum EU-Territorium erlaubt werden. Bei dem Screening wird ermittelt, in welches Verfahren die Person aufgenommen wird: Grenzverfahren, Schnellverfahren, normales Asylverfahren oder Rückführungsverfahren. Die betroffene Person kann gegen das Screening oder dessen Ergebnis nicht rechtlich vorgehen oder Einspruch erheben. Diese Regelung droht, die Grundrechte von Menschen auf der Flucht erheblich einzuschränken. Ein Teil der Screening-Verordnung ist auch das sogenannte Menschenrechtsmonitoring, welches das Vorgehen der Grenzschützer*innen und behörden überprüfen soll. Allerdings darf dieses Monitoring nur an bestimmten stellen angewendet werden. Illegale Pushbacks etwa durch die Grenzschutzagentur Frontex werden dadurch weiterhin nicht aufgeklärt und strafrechtlich verfolgt.
- Die Asylverfahrensverordnung (AVVO): Die AVVO gibt den Mitgliedstaaten verschiedene verpflichtende Verfahren vor. Nicht alle Menschen, die in der EU ankommen, werden in Zukunft ein Asylverfahren durchlaufen. Personen mit einer Anerkennungsquote unter 20% müssen jetzt in ein Grenzverfahren aufgenommen werden, in welchem eine individuelle Fallprüfung durch ein Schnellverfahren ersetzt wird und in welchem die Betroffenen für die Zeit des Verfahrens de facto inhaftiert werden. Diese Grenzverfahren sollen zum Beispiel für Menschen aus “sicheren Herkunftsstaaten” angewendet werden. Allerdings können davon auch – anders als von der deutschen Bundesregierung im Laufe der Verhandlungen mehrfach betont wurde – auch Menschen aus Syrien und Afghanistan betroffen sein. Möglich wäre das, wenn die Person über ein als sicher definiertes Drittland in die EU eingereist ist. Doch auch das Konzept der sicheren Drittstaaten wurde in den GEAS-Verhandlungen sukzessive ausgeweitet und meint jetzt auch Staaten, die als “teilweise” sicher gelten und stützt sich nicht mehr auf die Genfer Flüchtlingskonvention. Mit dem “Rückführungsgrenzverfahren” wird eine 12-wöchige Abschiebehaft eingeführt für Personen, die das Asylverfahren erfolglos durchlaufen haben.
- Die Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung (AMMVO): Die AMMVO sieht eine Reform des Dublin-Verfahrens vor. Allerdings bleibt es bei der Regel, dass das Ersteintrittsland für das Asylverfahren einer Person zuständig bleibt. Was neu ist an der Verordnung, ist der “Solidaritätsmechanismus”, der bei sogenanntem “Migrationsdruck” aktiviert werden soll. Allerdings müssen andere Mitgliedstaaten nicht zwingend bei der Aufnahme von Geflüchteten unterstützen. Sie können auch einfach Geld in den Grenzschutz des betroffenen Landes investieren oder sogar Geld an Drittstaaten, die Migrationsbewegungen aufhalten sollen, zahlen. Der bürokratische Aufwand der Dublin-Verordnung bleibt erhalten. Außerdem sollen Menschen, die sich nicht im zuständigen Mitgliedstaat aufhalten, gar keine Möglichkeit für Aufenthalt und Integration mehr erhalten. Das bedeutet: kein Arbeitsrecht, keine Sozialleistungen, keine Sprachkurse.
- Die Krisen-Verordnung: Die Krisen-Verordnung sieht vor, dass die Regeln des GEAS sich in Situationen einer “Instrumentalisierung” oder “Massenzuwanderung” noch mal verändern. Mitgliedstaaten können dann, wenn sie eine Instrumentalisierung wahrnehmen, zum Beispiel auch 50-100% aller Schutzsuchenden in Grenzverfahren aufnehmen. Eine “Krise” kann bis zu einem Jahr gelten und es braucht zur Bestimmung keine Beteiligung des EU-Parlaments. Die Krisen-Verordnung ist damit anfällig für eine Ausnutzung durch Mitgliedstaaten.
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