Der Schiffbruch vor Pylos – 1 Jahr später

Juni 14, 2024

 

Ein Jahr nach dem bisher tödlichsten Schiffsunglück in der Ägäis und in der Geschichte der Migration nach Europa in den letzten Jahren blicken wir nicht nur auf ein Jahr der unvollständigen und unaufrichtigen Aufarbeitung der Ereignisse zurück. Auch das zermürbende Gerichtsverfahren gegen die 9 Angeklagten, die für die Katastrophe verantwortlich gemacht werden, neigt sich dem Ende zu. 

Was für die griechischen Behörden im Umgang mit Schiffsunglücken, in die Geflüchtete verwickelt sind, zum Standard geworden ist, erscheint im Fall der Pylos-Tragödie fast unvorstellbar brutal. Nach dem Gesetz muss jemand für die versuchte illegale Einreise von Migrant*innen “schuldig gesprochen” werden. Da es jedoch zu kostspielig und schwierig wäre, die wirklichen Schleusernetze aufzuspüren und zu enttarnen, werden häufig die Personen, die sich auf den Booten befinden, von den griechischen und EU-Behörden ins Visier genommen. In den allermeisten Fällen handelt es sich bei diesen Menschen um Geflüchtlinge und Migrant*innen, die auf der Suche nach Sicherheit oder einem besseren sind. Im tragischen Fall von Pylos handelt es sich bei den Angeklagten um 9 der 104 Überlebenden, die sich am 14. Juni 2023 aus dem sinkenden Fischerboot „Adriana“ retten konnten. 

Am 23. Mai fand der Prozess gegen die „Pylos 9“ vor dem Berufungsgericht in Kalamata statt. Und die Anklage wegen Menschenschmuggels und Verursachung des Schiffbruchs wurde fallen gelassen! Das Verteidigungsteam – bestehend aus 9 griechischen Anwält*innen, die auf Kriminalisierungsfälle spezialisiert sind – konnte nachweisen, dass die griechischen Behörden für die Angeklagten im Fall Pylos nicht zuständig sind, da der Schiffbruch in internationalen Gewässern stattgefunden hat. 

Während der Fall der Pylos 9 einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Gerechtigkeit darstellt, ging die unmenschliche Behandlung der neun Überlebenden nach dem Urteil des Gerichtshofs weiter: Für die Dauer der Prüfung ihres Asylantrags wurden alle neun soeben Freigesprochenen direkt in Verwaltungshaft genommen. Nach einem Einspruch des Anwält*innen-Teams sind 8 von ihnen nun endlich freigelassen worden.

Doch wie geht es jetzt weiter? Wie wird die wahre Ursache des Schiffsunglücks ans Licht kommen und wann werden die wahren Schuldigen zur Rechenschaft gezogen?

Das Anwaltsteam der Pylos 9 setzt seine Arbeit fort und stellt sich auf die Seite der 53 Überlebenden, die die griechische Küstenwache wegen der tatsächlichen Ursache des Unglücks verklagt haben. Die Küstenwache bestreitet nach wie vor, das Kentern des Fischerbootes verursacht zu haben, doch Dutzende der Überlebenden, die sich an Bord der Adriana befanden, können das bezeugen. Das Seegericht von Piräus nimmt nun die Klage der Überlebenden auf.

Wir fordern Gerechtigkeit für die Pylos 9, alle Opfer und Überlebenden der Tragödie von Pylos und alle Geflüchteten, die unrechtmäßig und ungerechtfertigt kriminalisiert wurden. Deshalb stehen wir weiterhin an der Seite der Anwält*innen, die unermüdlich diesen Kampf für Gerechtigkeit führen. 

Hast du 9 Euro übrig und willst du dich mit den Pylos 9 solidarisch zeigen? Dann spende jetzt für das großartige Team der Anwält*innen!

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