Griechenland beschuldigt Geflüchtete für Schiffbruch – Das verbrecherische System des „Kampfs gegen den Schmuggel“

Juli 22, 2023

Overcrowded Boat carrying Refugees that capsized close to Pylos

Keine zwei Tage nach dem Schiffsbruch mit über 600 Toten nahmen die griechischen Behörden 9 ägyptische Männer fest, angebliche Schmuggler. Wenige Wochen später berichten Überlebende, wie griechische Beamte sie gezwungen haben, gegen die Männer auszusagen. Man wollte möglichst schnell Schuldige finden- auch um von der eigenen Schuld abzulenken.  

Griechenland ist stolz auf seinen „Kampf gegen den Schmuggel“, doch was steckt tatsächlich hinter diesem System?

Pro Boot oder Auto, das die Grenze nach Griechenland überquert, werden routinemäßig ein bis sieben Menschen festgenommen. Als Schmuggler gilt, wer das Boot gesteuert hat, auch wenn man damit kein Geld verdient hat. Für eine Verurteilung braucht es nicht mal echte Beweise, Behauptungen von Grenzbeamten reichen aus. Menschen werden willkürlich festgenommen, zum Beispiel wenn sie die einzige Person in einer Gruppe sind, die Englisch spricht. 

Anfang 2023 befanden sich 2154 Menschen für „Schmuggel“ in griechischen Gefängnissen, das ist die zweitgrößte Gruppe überhaupt.

Betroffene eines Falls vor wenigen Jahren berichten, von Personen in Zivilkleidung festgenommen, in Handschellen gelegt und in einen Kofferraum gepfercht worden zu sein. Ein Betroffener berichtet, er habe zu diesem Zeitpunkt gedacht, von einem Organhändlerring entführt worden zu sein. Erst später verstand er, dass er verhaftet wurde.

In den darauffolgenden Verhören wird Folter angewendet, teilweise sogar Schüsse abgefeuert und Betroffene müssen Geständnisse auf Griechisch unterschreiben, die sie überhaupt nicht verstehen. Auch sollen in Haft Beruhigungsmittel verabreicht- oder Menschen in Isolationshaft festgehalten werden, um Widerstände zu verhindern.

“Sie forderten mich auf, meine Kleidung auszuziehen. Das tat ich. Es war mir so unangenehm. In meinem ganzen Leben hat mich noch niemand nackt gesehen. Nur meine Mutter, als ich ein Kind war. Und dann haben sie angefangen, mich zu schlagen. Und dann dachte ich, hört auf mit all dem; ich dachte nur diese Worte: ‘hört auf’! Und dann baten sie mich, meine Kleider wieder anzuziehen. Sie sagten: ‘Okay, sprich’. Ich sagte: ‘Was wollen Sie hören? Sagen Sie es mir, und ich werde es sagen.’”

– Hasan

Und das Verfahren?

Durchschnittlich dauern Verfahren 37 Minuten, dabei wird im Schnitt eine Freiheitsstrafe von 46 Jahren vergeben. Übersetzer*innen sind selten anwesend, die Betroffenen treffen ihre Pflichtverteidiger häufig erst im Gerichtssaal. 52% aller Verurteilen verbüßen eine Haftstrafe von 15 Jahren bis lebenslänglich.

„Kürzlich erzählte mir zum Beispiel ein Mandant, dass er gar nicht mitbekam, was in seinem Verfahren geschah, und dass ihm erst danach jemand auf der Polizeiwache sagte: ‘Achso, Sie kommen für 50 Jahre ins Gefängnis.’”

– Vicky Aggelidou, Strafverteidigerin auf Lesbos

Was kannst du tun?

Griechenland verübt systematisch Rechtsbruch im Verborgenen. Es gibt keine Konsequenzen, kaum jemand schaut hin. Dabei ist Aufmerksamkeit das wichtigste Mittel gegen diese Entrechtungen.

Als der Richter feststellte, dass viele Menschen, Journalist*innen und Organisationen, die für Menschenrechte kämpfen, anwesend sind, begann er, sich auf meine Dokumente zu konzentrieren und las sie von der ersten bis zur letzten Seite und überprüfte sie, überprüfte sie, und dann verkündete er das Ergebnis, dass ich frei bin und dass es ihr Fehler war und dass ich frei bin.”

– Jafar

Schau hin. 

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