Bestrafung von Seenotrettung möglich: Rechtsgutachten legt Gesetzgeber Verzicht auf Änderung nahe

Dezember 7, 2023

Seenotrettung Cover

LeaveNoOneBehind fordert sofortigen Stopp der Gesetzesinitiative 

Die Ausschüsse des Bundestags beraten in diesen Tagen das sogenannte “Rückführungsverbesserungsgesetz”. Hinter dem Euphemismus verstecken sich zahlreiche aus menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Gesichtspunkten höchst fragwürdige Versuche, Flüchtende und Helfende unter Strafe zu stellen, Verbände schlagen seit Wochen Alarm. 

Ein von LeaveNoOneBehind beauftragtes Rechtsgutachten zeigt nun am Beispiel der geplanten Änderung des §96 AufenthG, dass trotz gegenteiliger Beteuerungen seitens des BMI eine Bestrafung von Helfenden möglich gemacht wird, obwohl die Notwendigkeit einer Änderung nicht stichhaltig begründet wurde. Die Autoren des Rechtsgutachtens empfehlen dem Gesetzgeber daher, auf die Änderung zu verzichten. Wegen dieser und weiterer geplanter Verschärfungen fordert LeaveNoOneBehind einen sofortigen Stopp der Gesetzesinitiative. 

Der §96 AufenthG soll eigentlich Schleuser unter Strafe stellen, das Rechtsgutachten das durch Prof. Dr. Aziz Epik von der Universität Hamburg und Prof. Dr. Valentin Schatz von der Leuphana Universität Lüneburg vorgelegt wurde, zeigt jedoch, dass die geplante Änderung des §96 Abs. 4 Var. 1 AufenthG die Gefahr einer Kriminalisierung auch von Helfenden, etwa bei der zivilen Seenotrettung, birgt, und das obwohl in der korrespondierenden EU Richtlinie 2002/90EG explizit vorgesehen ist, alle Formen humanitärer Unterstützung von der Strafbarkeit auszunehmen. Gewarnt wird in diesem Zusammenhang vor einem abschreckenden Chilling-Effekt auf die gesamte überwiegend aus Deutschland koordinierte zivile Seenotrettung, welche nun zumindest mit langwierigen Ermittlungs- und Gerichtsverfahren rechnen müsste. Mangels stichhaltiger Begründung für deren Notwendigkeit, wird die Legitimation der Änderung in Frage gestellt. Dem Gesetzgeber empfehlen die Autoren deshalb, von der geplanten Ausweitung der Strafbarkeit Abstand zu nehmen. 

“Zahlreiche Verbände wie Amnesty International oder der Deutsche Anwaltverein schlagen seit Wochen Alarm und haben bei der lediglich mit zwei Tagen angesetzten Verbändeanhörung massive grundrechtliche sowie europa- und völkerrechtliche Vorbehalte zu einem Großteil der geplanten Änderungen angemeldet, darüber hinaus wurde etwa vor einer Kriminalisierung von Helfenden gewarnt. Wir haben mit dem von uns beauftragten Rechtsgutachten nun beispielhaft gezeigt, wie begründet diese Bedenken sind. Dass das BMI etwa eine mögliche Strafbarkeit von Helfenden herunter spielt zeigt, dass dieses Gesetz mindestens fahrlässig aber wahrscheinlich vorsätzlich unbescholtene Flüchtende und Helfende einem Risiko der Bestrafung aussetzt” sagt Ruben Neugebauer von LeaveNoOneBehind. „Wir fordern daher den sofortigen Stopp der Gesetzesinitiative, das erspart dem Bundesverfassungsgericht unnötige Arbeit, Helfenden unnötige Sorgen und Flüchtenden unnötiges Leid.” 

LeaveNoOneBehind fordert die Bundesregierung auf, sich statt mit Scheinlösungen mit den tatsächlichen Problemen im Land zu beschäftigen, denn Abschiebungen schaffen weder Kita-Plätze noch Wohnraum. 

 

Pressekontakt:

Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung:

Ruben Neugebauer r.neugebauer@lnob.net; +4915773689421 

 

Das vollständige Rechtsgutachten ist hier zu finden:

Gutachten zur Neufassung des § 96 AufenthG

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