10-Punkte Plan der Planlosigkeit – Gastbeitrag von Prof. Dr. Dr. Maximilian Pichl

September 22, 2023

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Dr. Dr. Maximilian Pichl

Prof. Dr. Dr. Maximilian Pichl Hochschule RheinMain

„Die irreguläre Migration ist eine europäische Herausforderung und sie braucht eine europäische Antwort“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei ihrem medienwirksam inszenierten Besuch auf der Insel Lampedusa. Die EU-Kommission legte dort einen 10-Punkte-Aktionsplan zur Unterstützung Italiens vor. Der Plan enthält jedoch nichts neues und offenbart vielmehr die Ratlosigkeit der Kommission. Frontex soll Italien unterstützen, die Grenzüberwachung und die Zusammenarbeit mit UNHCR und IOM intensiviert werden. Alles Vorhaben, die so schon in zahlreichen anderen Plänen der Kommission seit 2013 stehen. Eine wirkliche Antwort hat die EU nicht parat.

Und dabei hat die EU-Kommission die humanitäre Notlage mitzuverantworten.Im Juli hat die EU mit der tunesischen Regierung einen fragwürdigen Deal geschlossen, durch den die Abfahrt von Schutzsuchenden in Richtung Europa verhindert werden soll. Wie schon oft in der Vergangenheit bei ähnlichen Abkommen geschehen, versuchen nun viele Schutzsuchende so schnell es geht aus dem Land herauszukommen. Die Kommission schreibt in ihrem Papier, sie wolle „verstärkte Sensibilisierungs- und Kommunikationskampagnen, um vor einer Mittelmeerüberquerung zu waren“. Dabei fehlt es den Schutzsuchenden in Tunesien nicht an Informationen über die Gefahren auf den tödlichen Seerouten. Vielmehr haben sie valide Gründe, warum sie aus Tunesien fliehen. Denn die tunesische Grenzpolizei hat in den vergangenen Monaten verstärkt Flüchtlinge zwangsweise an die libysche und algerische Grenze verbracht, wo die Betroffenen in der Wüste ausgesetzt wurden. Die brutale Entrechtungspolitik, gepaart mit einem grassierenden Rassismus, den der tunesische Präsident Kais Saied schürt, treiben auch die Menschen aus dem Land, die dort unter prekären Bedingungen arbeiten. Man wolle die „Vereinbarung mit Tunesien umsetzen und Maßnahmen mit sofortiger Wirkung priorisieren, um die derzeitige Situation zu bewältigen“, schreibt die Kommission. Aber der Deal enthält zugleich keine rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Mindeststandards.

Für die derzeitige Notlage an den Außengrenzen sind nicht die Schutzsuchenden verantwortlich, sondern es handelt sich einerseits um politisches Versagen und andererseits um eine bewusste Abschottungspolitik. Lampedusa ist schon seit über einem Jahrzehnt ein wichtiger Ankunftsort von Asylsuchenden.
Die Aufnahmekapazitäten und die Versorgung haben jedoch nie den Anforderungen entsprochen, die auch das Europarecht an die Unterbringung von Schutzsuchenden stellt. Im 10-Punkte-Plan der Kommission gibt es keinen Passus, der einen Aufbau von geeigneten Infrastrukturen verspricht. Das hat auch weder bei der Kommission noch bei den Mitgliedstaaten eine Priorität, weil seit Jahren ständig und an der Realität vorbei, über die Reduzierung von Fluchtmigration gesprochen wird. Die derzeitige italienische Regierung unter der Postfaschistin Giorga Meloni hat wiederum hat kein Interesse daran, die Situation vor Ort konkret zu verbessern. Die Bilder des „Ausnahmezustands“ passen vielmehr in die Strategie, Migration als Gefahr und Problem zu markieren und die Grenzpolitik zu verschärfen.

Notwendig wäre jetzt eine Öffnung legaler Fluchtwege nach Europa. Obwohl Abschottungsphantasien die öffentliche Debatte bestimmen, gibt es überall in Europa aufnahmebereite Kommunen. Vor Ort braucht es finanzielle Mittel, die in dauerhafte Aufnahmestrukturen investiert werden. Dafür sollten auch EU-Töpfe genutzt werden. Schließlich sollte sich die EU-Kommission ihrer eigentlichen Aufgabe erinnern: Sie ist Hüterin der Verträge und soll die Achtung des EU-Rechts sicherstellen – und keine von rechts getriebene Entrechtungspolitik mittragen.

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