Übersicht der aktuellen Debatte zur Reform des EU-Asylsystems

Juni 15, 2023

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Im Folgenden soll zum Einen auf die aktuellen Argumente für und gegen die Einigung im Rat zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) eingegangen werden. Zum Anderen sollen die weiteren Schritte, die wesentlichen Unterschiede zwischen Rats- und Europaparlaments-Position in den beiden zentralen Verordnungen erläutert werden, ein alternativer Weg erklärt und die inhaltlichen Kernpunkte des GEAS im Rahmen eines FAQ erläutert werden.

Das Thema ist sehr komplex und für Öffentlichkeit und abseits der Fachpolitiker*innen in den Parteien kaum zu überblicken. Leider halten sich hartnäckige Gerüchte zu den Inhalten und Ergebnissen, die auch durch missverständliche oder irreführende Behauptungen, teilweise sogar durch das Bundesinnenministerium (BMI) selbst, entstanden. Wir sollten in der öffentlichen Debatte aber darauf achten, dass die Argumente zur Reform anhand von Fakten ausgetauscht werden, selbst wenn man zu unterschiedlichen Einschätzungen oder Folgeabschätzungen kommt. Das ist bisher nicht gut gelungen.

Diese Punkte wurden in der Realität nicht durchgesetzt, sie sind nicht oder nur bruchstückhaft Teil der Einigung. Es wurde selbst vom Bundesinnenministerium nach der Einigung mehrmals behauptet, dass es eine verpflichtende Verteilung gibt, obwohl explizit festgehalten ist, dass die Verteilung freiwillig¹ ist. Außerdem wurde kommuniziert, dass Menschen aus Afghanistan und Syrien nicht in Grenzverfahren kommen und bessere Chancen haben. Allerdings stimmt das schlicht nicht². Sie werden die Hauptbetroffenen von Grenzverfahren sein. Es wurde zudem als Erfolg verkauft, dass es ein starkes Verbindungselement gibt (also das Schutzsuchende nicht in Drittstaaten abgeschoben werden können, zu denen sie keine Verbindung haben) . Das wurde aber gar nicht durchgesetzt³. Auch ein bloßer Transit durch einen Drittstaat kann dazu führen, dass man dorthin zurückgeschickt wird.

¹ Klarstellung der schwedischen Ratspräsidentschaft zur Verteilung: https://twitter.com/MariaStenergard/status/1661761905562640385?s=20

² Dokument zur Erklärung der sicheren Drittstaaten https://www.dropbox.com/s/dv5kx2ss0qcel7r/230611%20Sichere%20Drittstaaten%20im%20neuen%20GEAS%20EM.pdf?dl=0

³ https://twitter.com/ErikMarquardt/status/1668012753351499778

kurz:

Dafür gibt es keine Beweise. Im Gegenteil: nach objektiven Kriterien steht Schengen gut da. Grenzkontrollen reduzieren zudem keine irreguläre Migration, Asylsuchende können auch Anträge stellen, wenn sie kontrolliert werden. Grenzkontrollen versprechen also etwas, das sie gar nicht einhalten können. Dass Menschen an den Außengrenzstaaten nicht registriert werden hängt nicht mit mangelnden Kontrollmöglichkeiten zusammen, sondern mit Menschenrechtsverletzungen vor Ort. Es ist gefährlich das Ende von Schengen an die Wand zu malen, dadurch hilft man denjenigen, die kein Interesse an einem Europa der offenen Binnengrenzen haben.

lang:
Es wird behauptet, dass die Reisefreiheit in Europa, dass Schengen, ja ganz Europa in Gefahr wäre, wenn man den harten Asylrechtsverschärfungen im GEAS nicht zugestimmt hätte. Das ist ein gefährliches und falsches Argument. Die EU-Kommission analysiert den Zustand von Schengen regelmäßig anhand von objektiven Kriterien. Auf eine aktuelle Nachfrage zu der Diskussion dazu entgegnen sie, dass es keine begründbares, akzeptables Argumente gibt, anzunehmen, dass Schengen in Gefahr ist. Außerdem seien Binnengrenzkontrollen nicht geeignet, um die mit ihnen in Migrationsfragen verbundenen Ziele zu erreichen. Auch eine wissenschaftliche Studie des wissenschaftlichen Dienstes des Europaparlaments sieht das so. In der Studie wird vor allem dargelegt, dass Grenzkontrollen politisch instrumentalisiert werden, um Rechtsverletzungen zu rechtfertigen. So passiert es auch mit diesem Argument.

Dazu kommt, dass ernsthaft davon auszugehen ist, dass diese Reform zusätzliche Anreize für irreguläre Migration bietet, weil durch die schlechteren Bedingungen in Außengrenzstaaten Anreize für Sekundärmigration (also Weiterzug) aber auch irreguläre Migration nach Deutschland zunehmen werden. Deswegen ist es selbst, wenn man einen Kausalzusammenhang zwischen Schengen und irregulärer Migration sieht, ein falsches Argument.

Man suggeriert durch das Schengen-Argument auch, dass es faktisch offene Grenzen an den Außengrenzen gibt, aber das ist falsch. Es werden Milliarden in Grenzschutz investiert, doch die Menschen werden nicht registriert, wenn Pushbacks stattfinden und Menschen aufgrund der katastrophalen Situation zunehmend versuchen unregistriert Außengrenzstaaten zu umgehen. Die zentrale Gefahr für Schengen sind eher die Pushbacks und nicht der Mangel an neuen Verordnungen. Zudem wird der Schengener Grenzkodex überarbeitet, um Schengen zu verbessern. Mit dem GEAS hat die Stabilität von Schengen aber eigentlich nichts zu tun.

Insofern ist dieses Argument gefährlich, denn es redet herbei, dass Geflüchtete zu Grenzschließungen führen müssen, statt dagegen zu argumentieren.

kurz:

Natürlich ist nicht jede Reform besser als keine. Mit dem Argument müsste man allen Gesetzen zustimmen. Handlungsfähigkeit demokratischer Regierungen ist zentral, genau deshalb sollte man aber zeigen, dass man in der Lage ist, gute Reformen zu machen, statt solche die die selbstgesteckten Ziele nicht erreichen. Wer Verbesserungen in der europäischen Migrationspolitik will, muss sie durchsetzen und Mehrheiten dafür finden. Aktuell beugt man sich aber denjenigen, die weitere Verschlechterungen wollen.

lang:

Handlungsfähigkeit in der Asyl- und Flüchtlingspolitik ist wichtig, damit Populisten das Themenfeld Migration nicht als Problem darstellen können, auf das die demokratischen Parteien keine Antwort haben. Es ist aber auch wichtig, dass die realen menschenrechtlichen und organisatorischen Herausforderungen endlich angegangen werden. Damit das gelingt, müssen die Lösungen auch funktionieren und dürfen keine Scheinlösungen sein, die falsche Erwartungen wecken.

Menschenrechtlich ist die Reform hochproblematisch, darin ist man sich inzwischen weitgehend einig. Und auch die wissenschaftliche Folgeabschätzung geht davon aus, dass es der Vorschlag nicht Grundrechtskonform ist. Das wurde jedoch nicht beachtet. Es gibt sogar Zweifel, ob die vorgeschlagene Reform irreguläre Migration senken wird, wodurch die Kommunen auch nach der Umsetzung gar nicht entlastet werden. Laut Wissenschaftlern des Rates für Migration wird die Reform zu mehr Chaos und Leid führen. Sie missachtet Völker- und EU-Primärrecht. Sie lenkt damit nicht nur von realen Lösungsansätzen ab, sondern verschärft möglicherweise die aktuellen Probleme. Eine Lösung gerät außer Reichweite, wenn die Verordnungen erstmal beschlossen sind.

kurz:

Wenn man glaubt, dass eine Einigung immer richtig ist, weil sie eine Einigung ist, wird Gesetzgebung und Politik entpolitisiert und inhaltsleer. Deutschland war und ist zudem nicht isoliert. Die Interessenlagen in der EU sind sehr unterschiedlich. Außengrenzstaaten und progressive Regierungen wollen mehr Verteilung, die Konservativen mehr Abschottung. Eine Einigung gegen Deutschland war nicht möglich. Leider hat die Bundesregierung kaum eine der Prioritäten durchgesetzt, außer verpflichtende Grenzverfahren. Man wollte unbedingt eine Einigung und hat dafür den Preis gezahlt, dass die Mitgliedstaaten sich nun für massive Asylrechtsverschärfungen und populistischen Forderungen positioniert haben.

lang:
Eine pragmatische Flüchtlingspolitik muss sich daran messen lassen, dass diese Politik Verbesserungen zum Status Quo schafft, gerade was faire Verteilung, Rechtsdurchsetzung und Unterstützung vor Ort betrifft. Dieses Ziel wird aber nicht erreicht mit einer Reform, die vor allem auf die Verringerung von rechtlichen Standards und Haftlager abzielt, aber bei fairer Verteilung und Rechtsdurchsetzung keine Verbesserung zum aktuellen Stand schafft.

Sieht man sich die Berichte des aus den Verhandlungen an, wird deutlich, dass Deutschland in einer Gruppe mit mehreren anderen Mitgliedsstaaten auftrat und auch andere Länder ihr Abstimmungsverhalten von Deutschland abhängig gemacht haben (selbst mit Frankreich, Luxemburg, Belgien, Portugal gäbe es eine Sperrminorität). Es hätte keine Einigung gegen Deutschland gegeben, es wäre weiterverhandelt worden.

Darüber hinaus wären die Mittelmeer-Anrainerstaaten (Griechenland, Italien, Malta, Zypern und Spanien) Verbündete für einen verbindlicheren Verteilmechanismus und gegen verpflichtende Grenzverfahren gewesen. Weder bei einer Verbesserung der Drittstaatsregelungen und verpflichtenden Grenzverfahren war Deutschland also isoliert. Durch die vorhandene Einigung in einer riesigen, unüberschaubaren Paketlösung lässt man sich auf ein unkontrollierbares Gesetzesvorhaben ein, bei dem eine reale Folgenabschätzung nicht im Vordergrund stand und steht.

Es ist nicht hilfreich eine Alternativlosigkeit zu diesem Paket zu suggerieren, weil es nicht nur diese oder keine Reform geben kann. Viele Fragen, wie zum Beispiel die Seenotrettung werden in der Reform nicht oder kaum adressiert. Statt die Verschlechterungen in der Asylverfahrensverordnung in Kauf zu nehmen, hätte man sich realistische, bessere Wege vorschlagen und für Mehrheiten werben können. Beispielsweise wurde ein schrittweiser Ansatz von Frankreich schon Anfang 2022 vorgeschlagen und vor allem durch Druck vom Europäischen Parlament (EP) verhindert. Das könnte man ändern. In ersten Schritt hätte die Registrierung an den Außengrenzen und entsprechende Verteilung in die Binnenstaaten als Ausgleich angegangen werden können. Leider hat die Ratsentscheidung die Tür für bessere, schrittweise Lösungen vorerst zugeschlagen. Wenn man wirklich eine schnelle Einigung will, hätte man darauf verzichten sollen, den Kommissionsvorschlag deutlich zu verschärfen, denn das macht eine Einigung mit dem Europäischen Parlament in dieser Legislatur kaum möglich.

kurz:

Es gibt keine verpflichtende Verteilung, auch die “Mindestzahl” von Relocations ist freiwillig. Kommunen in Deutschland werden dadurch nicht entlastet, denn die schlechteren Bedingungen an den Außengrenzen werden dazu beitragen, dass es mehr irreguläre Migration nach Deutschland gibt.

lang:

Da die Verteilung weiterhin freiwillig ist, ist hier keine positive Änderung zum Status Quo zu erwarten, denn auch in der Vergangenheit haben Staaten kaum freiwillig Geflüchtete übernommen. Mehrere Staaten haben bereits angekündigt, niemanden freiwillig aufzunehmen.

Auch die Mindestzahl von 30.000 ist nur freiwillig und das wären zudem nur 3,5% der Asylerstanträge in Europa im letzten Jahr. Wie oben beschrieben, wird die Verteilung also eher reduziert.

Selbst wenn die Reform im nächsten Frühjahr beschlossen ist, wahrscheinlicher sind aber größere Verzögerungen, wird es einige Zeit zur Umsetzung dauern, sodass selbst bei einer schnellen Einigung die erhofften Ziele erst in 3 Jahren erreicht werden würden. Dann ist der Krieg in der Ukraine hoffentlich schon vorbei und mehrere Millionen Menschen können zurück nach Hause.

Zudem lässt sich festhalten, dass die Verteilung momentan vor allem irreguläre Sekundärmigration passiert. Durch die schlechten Bedingungen in den Außengrenzstaaten fliehen die Menschen weiter, zum Beispiel nach Deutschland und stellen dann nochmal einen Asylantrag. Das soll durch die Reform ja eigentlich verhindert werden, sodass unter dem Strich weniger Verteilung stehen würde. Wahrscheinlicher ist aber, dass es Anreize für mehr irreguläre Migration gibt. Davon geht auch die wissenschaftliche Folgeabschätzung des Europaparlaments aus.

kurz:

Es gibt schlicht keinen Grund anzunehmen, dass Bedingungen an den Außengrenzen durch schlechtere Standards und Grenzverfahren verbessert werden. Diejenigen haben sich durchgesetzt, die eine Legalisierung von menschenunwürdigen Bedingungen an den Außengrenzen wollten, um abzuschrecken. Die Abschreckung führt jedoch – das hat die Vergangenheit gezeigt – nicht zu weniger Geflüchteten oder weniger Leid, sondern nur zu Chaos.

lang:

Auch das ist eine unbelegte These. Die mangelnde Rechtsstaatlichkeit und Humanität in der aktuellen Situation kommt vor allem daher, dass es durch die nicht funktionierende Verteilung für die Außengrenzstaaten Anreize gibt, Recht und Gesetz zu brechen. Durch die mangelnde Sanktionierung durch die EU Komission, hat sich eine Praxis der systematischen Rechtsbrüche – vor allem an den Außengrenzen – etabliert, siehe illegale Pushbacks, Entrechtungen und Folter von Schutzsuchenden.

Die Idee der Bundesregierung war, mit der Fokussierung auf verpflichtende Grenzverfahren Fortschritte bei der Verteilung zu erreichen. Das ist nicht gelungen, weil die Verteilung weiterhin freiwillig bleibt und aber gleichzeitig Teile der aktuellen Entrechtungen legalisiert werden.

Wie wir bereits durch das gescheiterte Dublin-System und den gescheiterten EU-Türkei-Deal gesehen haben: Massenhafte und lang andauernde Inhaftierung an Europas Grenzen führen zu mehr Leid und Chaos. Nicht zu mehr Ordnung oder weniger Migration.

kurz:

Die Mitgliedstaaten müssen alle Nationalitäten in Grenzverfahren nehmen, die z.B. unter 20% EU-Anerkennungsquote haben. Damit kommen Personen aus sehr vielen Staaten in Schnellverfahren, die für sichere Herkunftsländer gedacht sind, obwohl die Länder gar nicht sicher sind. Aber die Mitgliedstaaten können auch alle anderen in Grenzverfahren zwingen, sobald sie zum Beispiel über einen “sicheren Drittstaat einreisen”. Durch die Ausweitung sicherer Drittstaaten kann das dazu führen, dass ungefähr 90% aller Geflüchteten in Grenzverfahren in Haft kommen sollen und ihre Anträge ohne inhaltliche Prüfung als unzulässig abgelehnt werden.

lang:

Es ist falsch zu behaupten, dass Menschen aus Syrien und Afghanistan nicht in Grenzverfahren kommen können. Sie werden wahrscheinlich die Hauptbetroffenen der Reform sein. Mit der Entscheidung sollen zudem auch Menschen aus Diktaturen wie Ägypten in Verfahren für “sichere Herkunftsländer” kommen. Aber: Auch die Menschen aus Ländern mit hohen Anerkennungsquoten können in Grenzverfahren genommen werden und als unzulässig abgelehnt werden, wenn sie über “sichere Drittstaaten” kommen.⁶ Die Möglichkeiten auch Syrer, Afghanen, Iraker und alle anderen verpflichtend in Grenzverfahren zu nehmen, wird deutlich ausgeweitet. Da das auf Wunsch der Außengrenzstaaten passiert, ist davon auszugehen, dass für sie das Ziel ist, möglichst viele Menschen in Grenzverfahren zu nehmen, um abzuschrecken und um die Geflüchteten zu isolieren. Für einige EU-Staaten ist das explizite Ziel, dass kaum noch jemand Schutz in Europa bekommt. Dieses Ziel ist mit der deutschen Zustimmung für den Rat leider in erreichbare Nähe gerückt.

Dokument zur Erklärung sicherer Drittstaaten in der Ratsposition zum neuen GEAS: https://www.dropbox.com/s/dv5kx2ss0qcel7r/230611%20Sichere%20Drittstaaten%20im%20neuen%20GEAS%20EM.pdf?dl=0

kurz:

Die Beschlüsse bieten keinerlei Antworten auf die aktuellen Herausforderungen bei der Seenotrettung im Mittelmeer. Im Gegenteil: Durch die geplante Ausweitung von verpflichtenden Grenzverfahren könnte es sein, dass Staaten wie Italien mehr Seenotrettung verhindern wollen.

lang:
Die Migrationswissenschaft zeigt, dass Seenotrettung keinerlei Einfluss auf die Zahl der Abfahrten hat. Es lässt sich nur nachweisen, dass prozentual mehr Menschen sterben, wenn Seenotrettung eingeschränkt wird.
Die Hauptursache für die Toten im Mittelmeer ist also der Mangel an Seenotrettung und an legalen Fluchtmöglichkeiten (zum Beispiel durch Resettlementprogramme). Diese Punkte haben bei der Reform gar keine Rolle gespielt. Darum ist auch das eine unbelegte steile These. Wenn man etwas gegen das Sterben im Mittelmeer tun will, sollte man die zivile Seenotrettung finanziell fördern, sich für staatliche Seenotrettung einsetzen und menschenrechtswidrige Praktiken, wie die EU-Förderung der libyschen Küstenwache verhindern. Denn die libysche Küstenwache trägt massiv zu den Fluchtursachen in Libyen bei, da sie an Menschenhandel, Schlepperei und unwürdigen Bedingungen für Drittstaatsangehörige in Libyen beteiligt ist, wie die Vereinten Nationen nachweisen konnten.

In Grenzverfahren, aber auch in normalen Asylverfahren kann laut Ratsvorschlag auch die Zulässigkeit des Antrags abgelehnt werden, zum Beispiel wenn Personen über „sichere Drittstaaten“ einreisen, die den Zugang zu einem normalen rechtsstaatlichen Asylverfahren verhindern. Bei Rückführungen in so genannte “sichere Drittstaaten” ist nicht einmal mehr die Einhaltung der Genfer Konvention in diesem betreffenden Drittstaat Voraussetzung.

Wie geht es jetzt weiter?

Das Trilog-Verfahren

Bis das Reformpaket final verabschiedet werden kann, müssen sich Parlament und Rat noch im sogenannten Trilogverfahren einigen. Das Parlament und der Rat haben inzwischen fast alle Verhandlungsmandate. Eigentlich war vereinbart, dass alle Trilogergebnisse im nächsten Februar vorliegen. Das ist aus verschiedenen Gründen unwahrscheinlich.

Erstens wird die spanische Ratspräsidentschaft durch die Neuwahlen in Spanien gelähmt sein.

Zweitens wird dadurch im Ergebnis ein riesiger Druck auf der belgischen Ratspräsidentschaft lasten, denn es liegen noch mehr als 200 Rechtsakte auf dem Tisch, die bis März 2024 fertig verhandelt werden müssen.

Drittens ist es unrealistisch, dass in dieser kurzen Zeit die teils unvereinbaren Positionen ausverhandelt werden.

Und viertens ist der Verhandlungsspielraum sehr gering, da die Mehrheit aufgrund diverser roter Linien im Rat, die wiederum für einen relevanten Teil des EP sehr wichtige Punkte darstellen.

Eine Einigung vor den EU-Parlamentswahlen auf das Gesamtpaket ist dahingehend nur realistisch, wenn es einen Durchmarsch der Positionen des Rates gibt. Davon ist aktuell aber zumindest in dieser kurzen Zeit nicht auszugehen.

Wie könnte es besser weitergehen?

Das Gesamtpaket ist, bleibt und wird auch in den Trilogverhandlungen nur von einem kleinen Teil der Verhandelnden gut durchdrungen werden. Statt eine praktikable Lösung zu finden, werden die Akteure wohl ein Geben-und-Nehmen veranstalten, bei dem der Rat wenig Änderungsspielraum hat, wenn das Trilogergebnis noch eine Mehrheit im Rat haben sollen. Wenn das Europäische Parlament (EP) sich relevant durchsetzt, gibt es wohl keine Mehrheit im Rat. Wenn der Rat sich durchsetzt, sind die EP-Mehrheiten unklar, aber zumindest gibt es keine gute Reform. Das hängt auch damit zusammen, dass diese Reform zeitlich ungünstig in der Hochphase der größten Fluchtbewegung seit dem zweiten Weltkrieg stattfindet. Durch Pandemie, Inflation und Krieg in Europa haben die Populisten ebenso Aufwind wie durch die hektische Debatte um Migrationspolitik.

In dieser Zeit eine Gesamtreform zu beschließen wird schwer, eine gute Gesamtreform zu beschließen unmöglich. Deswegen sollte der von Frankreich avisierte schrittweise Ansatz wiederbelebt werden, bei dem im ersten Schritt die Registrierung an den Außengrenzen und Menschenrechtsmonitoring zusammen mit einem Solidaritätsmechanismus mit freiwilliger Verteilung in verbindlicher Solidarität verhandelt wird. Dafür müssen nur zwei Verordnungen des Pakets verhandelt werden.

Das hätte vier Vorteile:

  • Erstens wären die die Verhandlungen überschaubarer und hätten mehr Chancen auf eine vernünftige Lösung.
  • Zweitens wäre der notwendige Solidaritätsbeitrag geringer, weil der zusätzliche Aufwand für die Außengrenzstaaten geringer ist. So könnte getestet werden, ob das Grundkonzept „Solidarität und Verantwortung“ funktioniert, denn falls nicht, würde auch das Gesamtkonzept mit deultich größerer Verantwortung für die Außengrenzstaaten nicht funktionieren.
  • Drittens wäre das die einzige realistische Chance auf eine Einigung vor den Europaparlamentswahlen und durch die dann folgenden Ratsvorsitze von Polen und Ungarn damit auch vor der Bundestagswahl.
  • Viertens könnte die Asylverfahrensverordnung (also die Verordnung, in der beispielsweise die Voraussetzungen für sichere Drittstaaten und sichere Herkunftsstaaten geregelt ist) mindestens bis zu einer umfassenden Folgenabschätzung, aber auch bis zu einer migrationspolitisch ruhigeren Zeit verschoben werden. Für eine sinnvolle EU-Verordnung zur Regelung von Asylverfahren müssten die Asylsysteme weitgehend harmonisiert sein.

Aktuell dient der Entwurf der Asylverfahrensverordnung nicht einer Verbesserung des Status quo, sondern nur einem Großangriff auf das Asylrecht, der hoffentlich abgewehrt werden kann. Die anderen 3 Richtlinien und 4 Verordnungen können jedoch verhandelt und oder beschlossen werden. Dabei ist klar, dass uns nicht alle Punkte gefallen werden, aber das liegt in der Natur der Verhandlungen und Mehrheiten.

Für was sollte man streiten? Geht es nur um den Pakt?

“Der Pakt” wird oft so dargestellt, als wäre der Beschluss zentrale Voraussetzung, um überhaupt etwas an der politischen Realität in der Asylpolitik zu verbessern. Allerdings gibt es ja bereits ein umfassendes Europäisches Asylsystem, das an vielen Stellen richtige Antworten bietet, aber nicht durchgesetzt wird. Was uns in den letzten Jahren als progressive, aber auch als demokratische Parteien insgesamt nicht gelungen ist, ist die pragmatischen Positionen gut zu erklären und hegemonial zu machen. Das ist tragisch, denn die populistischen Positionen bieten keine Lösungen und sorgen dafür, dass der Populismus zunimmt.

Der Erfolg von Rechtspopulisten hängt nicht davon ab, wie viele Geflüchtete kommen, sondern davon, ob es eine Krisenwahrnehmung gibt, die zu lösen, die Demokraten nicht im Stande sind. Deswegen ist es wichtig, Ruhe in die Migrationspolitik bringen, Herausforderungen ernst zu nehmen, aber eben auch keine Panik zu verbreiten.

Unabhängig vom Pakt kann man für demokratische Migrationsabkommen streiten, die die Menschenrechtslage in den Blick nehmen und auch legale Migrationswege fördern. Außerdem ist die Rechtsdurchsetzung in Staaten wie Griechenland oder Kroatien wichtig, denn es ist schlicht unerträglich, wie systematisch inzwischen Geflüchtete an den Außengrenzen misshandelt werden. Auch bei der Seenotrettung könnte kurzfristig etwas verbessert werden, zum Beispiel durch Förderung der zivilen Organisationen durch EU-Kommission oder EU-Mitgliedsstaaten.

Schlussendlich gibt es zu allen Fragen, die sich in der Migrationspolitik gute Konzepte und viele Lehrstühle und wissenschaftliche Beiräte und Verbände, die evidenzbasiert Antworten entwickeln. Es ist schlicht falsch, dass es keine pragmatischen, nachhaltigen Lösungen für die Migration im 21. Jahrhundert gibt. Man muss sie nur sehen und umsetzen wollen.

Welche Punkte werden in den Verhandlungen zentral? Wo unterscheiden sich die Positionierungen?

Es gibt hunderte Punkte in denen sich die Positionen des Parlaments deutlich von denen des Rates unterscheiden. Ohne bereits eine abschließende Bewertung aller zentralen Punkte treffen zu können, ist es wahrscheinlich, dass zentrale Punkte die Frage verbindlicher oder freiwilliger Verteilung unter Bedingungen zentral wird. Das Parlament möchte außerdem keine verbindlichen Grenzverfahren. Kinder unter 12 und ihre Familien sollen laut Parlament ausgenommen werden, der Rat möchte keine Ausnahmen. Die externe Dimension – also Zahlung an Drittstaaten – beim Solidaritätsmechanismus ist eine weitere weitgehend unvereinbare Position. Das Verbindungselement ist im EP-Mandat deutlich stärker als im Rat, außerdem wird sich der Rat weigern, ein starkes Menschenrechtsmonitoring einzuführen. Im Einzelnen:

Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement (AMMR)
Europäisches ParlamentRat der Europäischen Union
1.Erweiterung der der FamiliendefinitionErweitert auf GeschwisterErweiterung gestrichen
2.obligatorischer SAR-VerteilungsmechanismusIm TextNicht enthalten
3.Erstes Land der EinreiseBeibehaltung des Mandats mit einigen VerbesserungenIm Mandat verbleiben
4.Verantwortung (welcher Mitgliedstaat ist zuständig für den Asylantrag)Leichte Verbesserung der Liste der Kriterien für die Aufteilung der Zuständigkeit auf die Mitgliedstaaten: Erweiterung der Liste der Kriterien und der Definition des Begriffs „familiäre Bindungen“ (eine weit gefasste Definition wird es ermöglichen, dass mehr Personen nach diesen Kriterien versetzt werden, wodurch die Auswirkungen des ersten Zugangskriteriums abgeschwächt werden)alte Kriterien weitgehend belassen, Ersteinreiseland ist fast immer zuständig.im Mandat gehalten
5.Ersteinreise als letztes Kriterium, das nicht für die Ausschiffung im Rahmen von SAR gilt und bis zu 9 Monate lang nicht durchgesetzt wird, wenn ein MS unter Migrationsdruck steht
6.ein „leichtes Verfahren“ für das Kriterium der familiären Bindung, das die Überstellung von Antragstellern an die zuständigen MS beschleunigt: Es reicht aus, wenn ein MS feststellt, dass eine Person eine solche familiäre Bindung zu einem anderen MS haben könnte, damit sie überstellt wirdNicht im Mandat enthalten
7.Dublin-Rücküberstellungsfristen / ZuständigkeitsfristenSenkung der Fristen aus KommissionsvorschlagErhöhung der Fristen aus dem Kommissionsvorschlag, Verdopplung der geltenden Fristen
8.Solidarität / VerteilungEinführung eines neuen Verpflichtenden Verteilmechanismus in einer Verordnung und eines Schnellverfahrens, das nach der Ankunft auf dem Seeweg eingeleitet wird, um die Umsiedlung und gerechte Verteilung der Antragsteller innerhalb der EU zu gewährleisten.kein verbindlicher Verteilmechanismus
9.Neues Büro des EU-Relocation-Koordinators auf unseren Wunsch hin eingerichtetnicht im Mandat enthalten
10.Externe Dimensionkeine Solidarität durch Finanzierung in Drittstaaten möglich,

Verbesserter Text im Vergleich zum Vorschlag der KOM und zum Berichtsentwurf des Berichterstatters. „Schadensbegrenzung“ in Bezug auf Verweise auf Partnerschaften mit Drittländern (verkürzte Formulierung, die sich auf das beschränkt, was bereits im EU-Recht existiert)

Ausweitung der externen Dimension mit Finanzierungsprojekten im Rahmen der Solidarität
11.Direkte Verweise auf Visumspflicht, Entwicklungshilfe und Handelskonditionalität wurden vollständig gestrichen;Möchte Konditionalität erwähnen
12.Kapazitätsaufbau in Drittländern eingeschränkt (auf freiwilliger Basis, nur bevor Druck entsteht, Grundrechtsgarantien hinzugefügt, wirkt sich nicht auf/verringert nicht die obligatorischen Umsiedlungsbeiträge)Im Mandat nicht eingeschränkt
13.Dublin-Verrechnungen (Offsets)Nicht im Mandat enthaltenIm Rahmen des Mandats enthalten
14.Definition von “Migrationsdruck”deklaratorisch, aber beschränkt auf Ankünfte und AufnahmekapazitätUmfasst auch die Instrumentalisierung in der Definition
Asylverfahrensverordnung (APR)
15.Unabhängiger ÜberwachungsmechanismusErweiterung des APR um das umfassende und detaillierte Mandat des Screenings für APR auch anzuwendenBegrenzt zur Überwachung der Umsetzung des EU-Besitzstandes durch die Kommission, deutliche Beschränkung des vorgeschlagenen Monitorings aus dem Screening
16.GrenzverfahrenNicht obligatorisch ohne AusnahmenObligatorisch für einige Kategorien
17.Obligatorisch für Familien von Personen, die für die nationale Sicherheit als bedenklich gelten
18.Befreiung aller unbegleiteten Minderjährigen und aller Kinder unter 12 Jahren mit Familien; für die Inhaftierung von Kindern gilt die RCDAusnahm 

e für unbegleitete Minderjährige, es sei denn, es geht um die nationale Sicherheit; keine Ausnahme für Kinder

RCD in Grenzverfahren mit strengen Regeln für Aufnahmeeinrichtungen und PersonalAngemessenes Fassungsvermögen und Deckel (schlussendlich 4-fache Kapazität jährlich), Überfüllung wird nicht ausgeschlossen
20.Regeln für sichere DrittstaatenStrenge Kriterien und begrenzte AnwendungErweiterte Anwendungsmöglichkeiten
21.Verbindung zwischen Antragsteller und sicherem DrittstaatStreng und verbindlich, geografische Nähe zum HerkunftslandBegrenzte Erwartungen mit breiter Auslegungsmöglichkeit für die MS, was eine Verbindung darstellt, Applicant kann freiwillig auf Verbindung verzichten
22.Zulässigkeitsverfahren bei der Statusfeststellungeingeschränkterweiterte Möglichkeiten für Mitgliedstaaten

FAQ zur Kernpunkten der Reform:

Insgesamt ist laut wissenschaftlicher Folgenabschätzung des Europaparlaments davon auszugehen, dass der Ratsvorschlag (und der Kommissionsvorschlag) insgesamt negative Auswirkungen auf die Grundrechtesituation der Geflüchteten in Deutschland hat. Die angegebenen Ziele, wie zum Beispiel Rechtsdurchsetzung oder weniger Anreize für irreguläre Migration können laut Folgenabschätzung nicht erreicht werden. Eine Folgenabschätzung für Deutschland gibt es bislang nicht. Das ist dahingehend problematisch, dass die Asylverfahrensverordnung auch in Deutschland massive Auswirkungen auf die Asylverfahren hat, da sie unsere nationale Gesetzgebung überlagert. Asylverfahren, Rechtsbehelfe, Fristen etc. ändern sich deutlich, außerdem ist auch Deutschland gezwungen Grenzverfahren an 9 Häfen und 8 Flughäfen durchzuführen.

Grenzverfahren sind Sub-Standard-Verfahren bei denen es zum Einen zu inhaltlichen Schnellprüfungen kommen kann, die bislang vor allem bei “sicheren Herkunftsländern” angewendet werden. Zum Anderen kann die Zulässigkeit eines Asylantrags abgelehnt werden, wenn beispielsweise Menschen über sogenannte sichere Drittstaaten einreisen. Die Asylanträge – auch von Menschen mit hohen Anerkennungsquoten – werden dann nicht mehr inhaltlich geprüft. Diese Verfahren sollen nun zum einen verpflichtend für bestimmte Gruppen durchgeführt werden, zum Beispiel bei allen unter 20% Anerkennungsquote. In der Praxis haben sich Grenzverfahren und ähnliche Verfahren insbesondere an Orten nicht bewährt, wo viele Menschen in die Verfahren kommen, zum Beispiel in Moria. Grundrechte sind in diesen Verfahren nicht wirklich sicherzustellen; Mitgliedstaaten müssen bei der Anwendung von Grenzverfahren sicherstellen, dass die Asylsuchenden in der Zeit keinen Zugang zum Territorium bekommen. Dadurch finden Grenzverfahren in Haft statt.

Sichere Herkunftsländer sind Staaten in denen man davon ausgeht, dass dort keine politische Verfolgung stattfindet und Menschen grundsätzlich nicht bedroht sind. Die Einstufung soll laut Ratsentscheidung deutlich einfacher werden. Menschen aus diesen Ländern kommen in Schnellverfahren, in denen sie deutlich weniger Verfahrensgarantien haben und schnell abgelehnt werden können. „Sichere Drittstaaten“ sind ein Konzept für Transitländer. Geflüchtete, die über diese Länder nach Europa fliehen, können unabhängig vom Herkunftsland in diese Transitländer zurückgeführt werden oder zumindest können ihre Asylanträge abgelehnt werden.

Mitgliedstaaten werden verpflichtet nach einer negativen Entscheidung im Grenzverfahren ein Rückführungsgrenzverfahren durchzuführen. Die abgelehnten Antragsteller*innen werden in dieser Zeit inhaftiert und sollen direkt zurückgeführt werden. Verfahrensgarantien wie die automatische aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen gegen Rückführungsentscheidungen fallen weg, das Verfahren soll bis zu 12 Wochen dauern.

Zulässigkeitsprüfungen in Grenzverfahren sind das Instrument, um Menschen die über sichere Drittstaaten einreisen, abzulehnen und von der Einreise abzuhalten. Das geht unabhängig von der Schutzquote, da man die Anträge mit der Begründung ablehnt, dass die Personen in einem Transitland bereits sicher waren. Ob eine Verfolgung im Herkunftsland vorliegt, muss nicht überprüft werden.

Momentan ist ein Verbindungselement zwischen dem Drittstaat und dem Antragsteller notwendig, sie müssen zu dem Land also einen Bezug haben. Der Rat möchte dieses Verbindungselement deutlich abschwächen. Auch ein Transit durch ein Land kann von Mitgliedstaaten als ausreichend angesehen werden. Es soll zudem weniger Mindeststandards für die Einstufung geben, Teilgebiete von Staaten sollen als sichere Drittstaaten eingestuft werden können usw..

Die aktuelle Ratsposition sieht zum Einen vor, dass die Lager/Einrichtungen, in denen die Grenzverfahren stattfinden, auch im Landesinnern sein können. Zum anderen muss auch Deutschland an allen Häfen und Flughäfen Grenzverfahren durchführen. Außerdem kann Deutschland auch in anderen Fällen Grenzverfahren durchführen, wenn sich die Bundesregierung dazu entscheidet. Außerdem sind Grenzverfahren explizit auch nach Relocation, also Umverteilung im Verteilmechanismus vorgesehen.

Auch Deutschland hat EU-Außengrenzen, zum Beispiel an Häfen und Flughäfen. Das ist relevant, weil dort verpflichtend Grenzverfahren ausgeweitet werden müssten, aber auch weil es keine Klagemöglichkeit gegen eine Zuführung zu Grenzverfahren gibt. Personen könnten von Behörden attestiert bekommen, dass sie über einen internationalen Hafen oder Flughafen eingereist sind und könnten dagegen keine wirksamen Rechtsbehelfe einlegen.

Die Mitgliedstaaten müssen laut Asylverfahrensverordnung sicherstellen, dass Personen im Grenzverfahren keinen Zutritt zum Territorium erhalten. Das ist in der Praxis nur durch Haft oder haftähnliche Zustände sicherzustellen. Auch eine Einschränkung der Haftmöglichkeiten durch die Aufnahmerichtlinie ist nicht hilfreich, weil dort in Artikel 8 eine Haftmöglichkeit für Personen im Grenzverfahren vorgesehen ist.

Der EuGH hat entschieden, dass es sich bei der Situation in Transitzonen/Grenzverfahren auch um Haft handelt, wenn die Personen in einen Drittstaat zurück können, weil dabei nicht ausgeschlossen werden kann, dass in diesem Drittstaat Gefahr droht.

Durch die Ausweitung der Dublin-Fristen, wären sehr viele Menschen deutlich länger nicht in der Lage, Asyl in Deutschland zu beantragen. Die Fristen sollen laut Rat zudem mindestens 3 Monate länger sein, als ein selbstverschuldetes Überstellungshindernis. Damit könnte für Personen sehr viele Jahre ein Zustand der Unsicherheit und Perspektivlosigkeit für Personen in Deutschland entstehen. Momentan ist die Frist i.d.R. bei 6 Monaten. Die geplante Veränderung hätte auch Auswirkungen auf das Kirchenasyl, es könnte für Dublinfälle nicht mehr wirksam sein.

Der geplante Solidaritätsmechanismus sieht vor, dass Mitgliedstaaten verbindlich eines der Instrumente nutzen müssen, die im Solidaritätspool vorgesehen ist. Niemand wird zu Verteilung gezwungen und niemand muss an die Staaten Geld bezahlen, die aufnehmen. Stattdessen ist beispielsweise auch eine Finanzierung von Fluchtabwehrmaßnahmen in Drittstaaten ausreichend, um Solidaritätsbeiträge zu erfüllen.

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